E-Mail an Naturschutzbehörde Vogelsbergkreis, RP Gießen und Autobahnplanungsgesellschaft DEGES  (Mai 2019)                        Ausgleichmaßnahmen und weitere Naturbeeinträchtigungen im Bereich Sörnteich in der Gemarkung Maulbach der Stadt Homberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 die Planungen, deren Umsetzung, die zusätzlich ungenehmigten Maßnahmen und die Bewertung und Behandlung durch eine Vielzahl von Beteiligten im Gebiet Sörnteich zwischen Maulbach und Appenrod nehmen wir zum Anlass dieses Schreibens. Dies betrifft sowohl durchgeführte Vorgänge sowie befürchtete künftige Fälle. Zur besseren Verortung haben wir ihnen eine Karte als Anlage beigefügt.

 

Fakten zu den Ausgleichsmaßnahmen für die BAB 49 VKE 40 im Bereich Sörnteich (siehe Karte Bereich Diebachsgraben):

 Es liegt ein Planfeststellungsbeschluss vor, der auch Ausgleichsmaßnahmen beinhaltet. Für den Bereich Sörnteich sind auf dem Maßnahmenlageplan Blatt 11 die folgenden betroffenen Biotoptypen eingezeichnet: 02.500 Hecken-/Gebüschpflanzung (standortfremd, Ziergehölze), 04.400 Ufergehölzsaum heimisch, standortgerecht, 05.251 Begradigte und ausgebaute Bäche.

 Maßnahmen auf den Bereichen der Biotoptypen sind räumlich eingezeichnet. Die Biotoptypen 04.400 und 05.251 sind als nicht überplant gekennzeichnet.
Zusätzlich wird auf das Maßnahmenblatt VII.9 A verwiesen. Die dort beschriebenen Maßnahmen wurden im Ausführungs- und Pflegeplan B-2.1 verortet. Im Teilgebiet handelt es sich um die Einsaat von Extensivgrünland (A1.1) und die Entnahme standortfremder Gehölze (A5.1. bis A5.9).

 Im Maßnahmenblatt VII.9 A sind folgende Maßnahmen angekreuzt:
CEF-Maßnahme für den Gelbspötter
Artenschutzrechtliche Vermeidung für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling und den Kuckuck

 Der Begründung der Maßnahme/Entwicklungsziel sind folgende Maßnahmen/Ziele zu entnehmen:
Entwicklung der Bachaue / Schaffung Entwicklungsspielraum für Regeneration … zur Förderung einer standorttypischen Ausprägung des Makrozoobenthos / /Neuschaffung von Bruthabitaten des  Gelbspötters und der Turteltaube / Weitere Zielarten Sumpfschrecke und andere gefährdete Tagfalter und Heuschreckenarten.

 Bewertung der geplanten Maßnahmen:

 Der Lebensraum für die Zielarten ist ein natürlicher, flach ausgebildeter (möglichst mäandernder Graben, ein feuchter auwaldähnlicher Uferbereich mit angrenzenden wechselfeuchtem bis feuchtem Grünland.
Die Planung ist nach unserer Einschätzung und der des Kreisbeauftragten der Staatlichen Vogelschutzwarte in Frankfurt Herrn Axel Rockel nicht geeignet, einen solchen Lebensraum entstehen zu lassen und kann somit nicht als Ausgleichsmaßnahme für den Bau der A49 bewertet werden.

Durchgeführte Maßnahmen:

 Auf den planfestgestellten Flächen am ehemals flach ausgebildeten, nicht ständig wasserführenden Bach wurde ein 5 Meter breiter und 1,5 Meter tiefer, schnurgerader Graben ausgehoben. Diese Maßnahme war nicht durch die Planfeststellung genehmigt.

 Im Uferbereich wurden alle Gehölze (nicht nur die standortfremden) entnommen, bis auf 8 Weiden. Diese wurden im Wurzelbereich so stark beeinträchtigt, dass wir und der Revierförster Axel Rockel die Überlebenschancen der Bäume als sehr gering einschätzen.

 Bewertung der durchgeführten Maßnahme:

 Die durchgeführten Maßnahmen lassen gemäß unserer Einschätzung und der des Försters und Kreisbeauftragten der Staatlichen Vogelschutzwarte Frankfurt Herrn Axel Rockel die Chancen der Zielerreichung gegen null sinken. Ein Ausgleich für die Beeinträchtigungen des Baus der A49 ist nicht gegeben.

 

Durchgeführte Maßnahmen im Umfeld der Planfeststellung

 

Feldgehölz (siehe Karte Bereich Nr. 2):

 Auf der südlich des Planfeststellungsbereichs liegenden Fläche wurde in mehreren, zeitlich voneinander getrennten Arbeitsgängen das Feldgehölz sehr stark beeinträchtigt. Auf insgesamt geschätzten (Betreten der Fläche ist nicht möglich) 80 % der auch jetzt noch in NATUREG als „Gesetzlich geschütztes Biotop“ aufgeführten Fläche wurden Bäume und Hecken entfernt. Dies wurde auch auf der Teilfläche des Feldgehölzes vorgenommen, die sich im Eigentum des Landes Hessen befindet und nicht von Ausgleichsmaßnahmen überplant ist.
Rechtliche Bewertung: Feldgehölze sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesbodenschutzgesetz als Vernetzungselemente zu erhalten und dort wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind neu zu schaffen.
Erforderliche fachliche Behandlung von Feldgehölzes: Die Bäume sind dort, wo eine zu starke Beschattung den Unterwuchs behindert, einzelbaumweise zu entnehmen. Die Pflege der Heckenbereiche entspricht der einer normalen Hecke, also zeitlich auf 6 bis 15 Jahre versetztes „Auf den Stock setzen“ auf maximal 20 Meter Länge und nicht mehr als 1/3 der Gesamtfläche.
Bewertung der durchgeführten Maßnahme: Die durchgeführten Maßnahmen waren nicht zulässig.
Geforderte Maßnahmen: Die Bewertung durch die UNB („es wächst wieder nach, daher keine Beeinträchtigung“, Art und Ausdehnung der Pflege) ist fachlich in keiner Weise haltbar und muss unter der Anwendung der bundesweit guten fachlichen Praxis neu erfolgen. Die „Beeinträchtiger“ sind auch anhand von Indizien zu ermitteln und zur Wiedergutmachung in räumlicher und funktioneller Weise zu verpflichten. Die Ordnungswidrigkeit ist festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden.

 

Graben im Bereich Sörnteich (siehe Karte Bereich Diebachsgraben):

 Auf den nicht planfestgestellten Flächen am ehemals flach ausgebildeten nicht ständig wasserführenden Bach wurde ein 5 Meter breiter und 1,5 Meter tiefer schnurgerader Graben ausgehoben. Es wurden die gesamte Fauna und Flora vernichtet.  Sogar die Wurzeln der Gehölze wurden weitgehend ausgegraben. Die Funktion der Drainagen wurde wiederhergestellt. Gemäß Auskunft der DEGES wurden die Maßnahmen am Graben aufgrund eines bestehenden Vertrages vorgenommen. Für diese Maßnahme soll auch eine Genehmigung vorliegen. Vertrag und Genehmigung liegen uns nicht vor.
Es wurden drei Übergänge am Graben neu geschaffen bzw. blieben erhalten. Deren Bauweise verhindert die Durchgängigkeit für das in der Planfeststellung als Zielart festgelegt Makrozoobenthos.
Rechtliche Bewertung: Die durchgeführten Maßnahmen widersprechen der Wasserrahmenrichtlinie und den daraus resultierenden deutschen Gesetzen und allgemein gültigen Handlungsempfehlungen (WHG, HWG, Merkblatt DWA-M 612-1, Merkblatt DWA-M 610) gravierend. Dies kann auch nicht durch einen möglicherweise rechts- bzw. sittenwidrigen Vertrag ausgehebelt werden.
Geforderte Maßnahmen
: Wir beantragen aufgrund des Bundes- und des Landes-Umweltinformationsgesetzes die Überlassung des Vertrages in der Form, dass persönliche Daten geschützt, aber die umweltrelevanten Teile klar erkennbar sind und bewertet werden können.

Wir beantragen aufgrund der Gesetze die Überlassung der Genehmigung, auf die sich die durchgeführten Maßnahmen angeblich gründen. Zudem fordern wir die Stellungnahmen der eingebundenen Behörden und die Bewertung des Naturschutzbeirates des Vogelsberges an. Zudem erwarten wir Auskunft über die Art und Weise und die Form der Einbindung der Verbände.
Wir fordern die Erneuerung der Übergänge gemäß den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (Kastenprofil), falls diese überhaupt benötigt werden. Wir fordern die Wiederherstellung der über die eventuell vorliegende Genehmigung hinaus gehenden Beeinträchtigungen durch den Verursacher und die Verhängung eines Ordnungswidrigkeitsentgeltes.
Wir fordern die Wiederherstellung der Beeinträchtigungen, die durch eine eventuell rechtswidrige Genehmigung vorgenommen wurde, durch die verantwortliche Behörde.

 

Drainagen auf den Grundstücken 27/1 und 27/2

 Auf beiden Seiten des Grabens wurden Drainagen verlegt. Auf der Wiese links des Grabens wurde dies im Jahr 2015, auf der rechten Seite bereits in längerer Vergangenheit vorgenommen.
Geforderte Maßnahme: Es ist zu ermitteln, wann die Verlegung der Drainagen durchgeführt wurde. Dies gilt in erster Linie für die vermutlich neu verlegten. Es ist zu prüfen, ob für die Verlegung der Drainagen entsprechende Genehmigungen vorliegen. Falls keine Genehmigungen vorliegen, sind diese zu entfernen. Falls die Maßnahme rechtswidrig durchgeführt wurde, sind die „Beeinträchtiger“ zu ermitteln und gegebenenfalls mit der Wiedergutmachung in räumlicher und funktioneller Weise zu belegen. Die Ordnungswidrigkeit ist festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden. Wir beantragen aufgrund des Bundes- und des Landes-Umweltinformationsgesetzes, uns das Ergebnis der Prüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen mitzuteilen.

 

Damm des ehemaligen Sörnteichs (siehe Karte Bereich 2):
Am Damm und im nicht von der Planfeststellung in Anspruch genommenen Bereich wurden große, einheimische, standortgerechte Gehölze gerodet. Dies wurde auf der Eigentumsfläche des Landwirts und auf der Eigentumsfläche des Landes Hessen vorgenommen.

Rechtliche Bewertung: Die durchgeführten Maßnahmen sind rechtswidrig.
Geforderte Maßnahmen: Die „Beeinträchtiger“ sind auch anhand von Indizien zu ermitteln und mit der Wiedergutmachung in räumlicher und funktioneller Weise zu belegen. Es liegen Aussagen eines Mitarbeiters der beauftragten Firma vor, wer die Fällung in Auftrag gegeben hat. Die Ordnungswidrigkeit ist festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden.

 

Fläche der Ausgleichsmaßnahme RP (Kir) P 22-NN-00149 im Norden (siehe Karte Bereich 3):

 In der „Feldgehölz-Pflanzung“ wurden ebenfalls Bäume und Hecken gefällt. Die genaue Verortung wurde von uns nicht vorgenommen.
Geforderte Maßnahmen: Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist zu prüfen. Die genaue Verortung ist durchzuführen. Falls die Maßnahme rechtswidrig durchgeführt wurde, sind die Beeinträchtiger“ zu ermitteln und gegebenenfalls mit der Wiedergutmachung in räumlicher und funktioneller Weise zu belegen. Die Ordnungswidrigkeit ist festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden. Wir beantragen aufgrund des Bundes- und des Landes-Umweltinformationsgesetzes, uns das Ergebnis der Prüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen mitzuteilen.

 

Gehölzstreifen am Feldweg östlich des Sörnteich (siehe Karte Bereich 4):

 Luftaufnahmen und Zeugen belegen, dass es einen mehrere Meter breiten Gehölzstreifen gab, der durch den ehemaligen Besitzer, die damalige Versuchsanstalt Neu-Ulrichstein, angelegt wurde. Dieser wurde fortgesetzt über viele Jahre immer wieder scheibchenweise beeinträchtigt. Aktuell wurden dort wieder Gehölze entfernt.
Geforderte Maßnahmen: Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist zu prüfen. Falls die Maßnahme rechtswidrig durchgeführt wurde, sind die „Beeinträchtiger“ zu ermitteln und gegebenenfalls mit der Wiedergutmachung in räumlicher und funktioneller Weise zu belegen. Gegebenenfalls ist die Ordnungswidrigkeit festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden. Wir beantragen aufgrund des Bundes- und des Landes-Umweltinformationsgesetzes, uns das Ergebnis der Prüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen mitzuteilen.

 

Südostecke des Gebiets Sörnteich (siehe Karte Bereich 5):

 Es wurde der Aufwuchs des sehr expansiven Neophyte „Japanischer Staudenknöterich Fallopia japonica “ festgestellt. Im näheren Umkreis ist kein weiteres Vorkommen bekannt.
Geforderte Maßnahmen: Es ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls durch wen die Pflanzen rechtswidrig ausgebracht wurden. Gegebenenfalls ist die Ordnungswidrigkeit festzustellen und mit einem spürbaren Entgelt zu belegen, damit Nachahmer künftig nicht wie bisher ermuntert werden. Die Pflanzen sind nachhaltig zu bekämpfen. Wir beantragen aufgrund des Bundes- und des Landes-Umweltinformationsgesetzes, uns das Ergebnis der Prüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen mitzuteilen.

 

Ausgeräumte Landschaft im direkten Umfeld des Sörnteich (stellvertretend für weiter stark ausgeräumte Bereiche in der Stadt Homberg)

 In fast allen Gemarkungen der Stadt Homberg stellen wir fest, dass die gemäß der §§ 5 und 21 des Bundesnaturschutzgesetzes und des § 17 des Bundesbodenschutzgesetzes erforderlichen Landschaftselemente kaum noch vorhanden sind. Die wenigen vorhandenen Strukturen stellen in den meisten Fällen Ausgleichsmaßnahmen für andere Naturbeeinträchtigungen dar oder sind von Naturschutzvereinen angelegt worden. Dies trifft auch für Flächen im öffentlichen Eigentum zu. Diese für die Umsetzung oft gut geeigneten Flächen werden in den meisten Fällen widerrechtlich landwirtschaftlich genutzt. Von der gemäß der Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt für die Umsetzung der CBD erforderlichen 5 % der Landschaft sind unsere Gemarkungen weit entfernt. Die sehr starke Zerstörung der Vernetzungselemente fand wie bereits bemängelt immer scheibchenweise statt und liegt oft bereits mehrere Jahre zurück.

 Geforderte Maßnahmen: Da die Zerstörer der Landschaftselemente in vielen Fällen wegen der weit in der Vergangenheit stattgefundenen Beeinträchtigungen nicht mehr ermittelt werden können und oft von den Gemeinden und Städten derartige Maßnahmen auch in jüngster Vergangenheit selbst veranlasst wurden, müssen sofort  grundsätzliche Änderungen vorgenommen werden. Alle Flächen im öffentlichen Eigentum sind wieder in den Besitz der Städte, der Gemeinden, des Vogelsbergkreises und des Landes Hessen zu überführen. In Zusammenarbeit der Behörden in Hessen mit dem Land, den Landkreisen, den Gemeinden und Städten sind dort, wo die Flächen nicht für andere Zwecke benötigt werden (z.B. Fahrspuren auf Wegen) Landschaftselemente neu zu schaffen. Institutionen, die sich dieser Aufgabe entziehen, müssen künftig klar als Verantwortliche für den mehr als erschreckenden Niedergang der belebten Natur und somit der Lebensgrundlage für die Menschen benannt werden. 

 

Wir hatten alle Behördenvertreter und politisch Mitverantwortlichen zu der Begehung im Bereich Sörnteich eingeladen. Wir hätten es begrüßt, vor Ort über unsere Kritik diskutieren zu können. Wir sehen ein, dass der Sonntag keine Dienstzeit darstellte. Daher sind wir selbstverständlich auch weiterhin für einem Vor-Ort-Termin aufgeschlossen. Wir stellen ihnen gerne auch Fotos und sonstige Dokumente zur Verfügung, die unsere Feststellungen, Bewertungen und Forderungen untermauern.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Vogel- und Naturschutzgruppe Maulbach

 

NABU-Gruppe Homberg (Ohm) e.V.